Wie denkst du über die Trauer? Ist es für dich ein Gefühl oder ein Überbegriff und darunter lassen sich mehrere Emotionen zusammenfassen?
Vielleicht geht es dir wie mir – ich habe erlebt, dass der Begriff Trauer für mich viele unterschiedliche Emotionen umfasst:
Wut, Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Verzweiflung, Ohnmacht, Sinnlosigkeit, aber auch Mut, Erleichterung, Liebe, Frieden usw.

Ich hatte zuerst Sorge, dass die Trauer alle anderen Gefühle, die mir wichtig sind, auslöschen würden. Zum Beispiel dachte ich, ich könnte meine Lebensfreude nicht mehr fühlen und ich durfte erfahren, dass dies nicht geschah.

Und noch viel interessanter war, dass ich spüren durfte – all diese, vom Kopf her, widersprüchlichen Gefühle können alle gleichzeitig da sein und nebeneinander existieren.

Die Frage war nur, erlaube ich mir all diese Gefühle auch auszuleben?

In meinem Kopf tauchten Gedanken auf, wie: „Wenn du trauerst, dann kannst du doch nicht über etwas Lustiges lachen“ oder auch „Wenn du trauerst, dann darfst du nicht gleichzeitig zufrieden sein“ usw.

Wenn ich jedoch genau diese Gedanken weg ließ und nur auf das Geschehene mit dem adäquaten Gefühl reagierte, ja – dann war das doch möglich alles gleichzeitig zu fühlen.

Die Wertung unserer Trauer als „schlechtes, ungewünschtes“ Gefühl und das Ankämpfen gegen die Tränen oder auch des Trauerschmerzes führt nur zu Verschlechterung des Gemütszustandes.

Meine Trauer anzuerkennen und die Tränen zu weinen, den Herzschmerz zu fühlen, den „Kloß“ im Magen usw. wahrzunehmen, das ist wichtig und heilsam.

Wenn uns etwas Lustiges widerfährt dürfen wir ja auch aus vollem Herzen lachen – warum nicht auch aus vollem Herzen weinen, falls wir etwas unsagbar Trauriges erfahren?

Durch Achtsamkeitsübungen lernte ich später, dass Gedanken, Glaubensätze und Bewertungen der Gefühle, uns davon abhalten können, alle Gefühle zuzulassen bzw. auch durch permanentes Gedankenkreisen, um ein Gefühl dieses aufrecht zu halten und auszuweiten.

TrauerUnsere Kolumnistin Claudia Kaufmann ist 54 Jahre alt, verwitwet und Mutter einer Tochter. Das Thema Tod und Trauer begleitet sie schon, seit sie sieben Jahre alt ist. Sie ist Achtsamkeits- und Resilienz-Coach.

Weitere Informationen zu Claudia Kaufmann: www.relumine.de