In DIE HÖHLE DER VERGESSENEN TRÄUME (Kinostart der 3D-Dokumentation am 3.11.2011) erhält Regisseur Werner Herzog die einzigartige Gelegenheit, sein Publikum in die Chauvet-Höhle zu entführen und ihm deren grandiose Kunstwerke in ihrer ganzen dreidimensionalen Pracht zu präsentieren. – Ein Anblick, wie ihn zuvor nur eine Handvoll ausgewählter Wissenschaftler genießen konnte. Herzog verbindet seine Talente als Beschwörer unvergesslicher Bilder, Erforscher verbotener Landschaften und poetischer Philosoph, um die ältesten Visionen der Menschheit, die je dokumentiert wurden, zu erklären und zu feiern.

Die Chauvet-Höhle, die die ältesten derzeit bekannten Höhlenmalereien enthält, wurde 1994 entdeckt und gilt als eine der bedeutendsten Stätten prähistorischer Kunst. Hunderte von Felsenmalereien zeigen mindestens 13 verschiedene Spezies, darunter Pferde, Rinder, Löwen, Panther, Bären, Wollnashörner und sogar Hyänen. Die Künstler verwandten dabei Techniken, wie sie für andere Höhlenmalereien nur selten benutzt wurden, was die Chauvet Höhle zu einem wichtigen Dokument des paläolithischen Lebens in all seinen aufregenden Details macht.

Um die Malereien zu erhalten, ist es nur einem kleinen Wissenschaftlerteam unter Leitung des Archäologen Jean-Michel Geneste erlaubt, für ein paar Wochen im Frühjahr und Herbst ein winziges Basiscamp mit Zugang zur Höhle zu unterhalten. Kurator Dominique Baffier fungiert als Höhlenwärter im Auftrag der französischen Regierung. Er achtet darauf, dass alle Personen, die Zugang zu diesem Hochsicherheitsbereich erhalten, die schärfsten Verhaltensregeln einhalten. Hohe Konzentrationen von Kohlendioxid und Radon machen es unmöglich, mehr als ein paar Stunden pro Tag im Inneren zu arbeiten.

Viele Filmemacher ersuchten um die Erlaubnis, einen Spielfilm innerhalb der Chauvet-Höhle zu drehen, aber Herzog hatte als erster Erfolg. Während eines Treffens mit dem französischen Kultusminister bot er an, sich bei der französischen Regierung anstellen zu lassen – für das großzügige Honorar von € 1,-, das er sogar versteuern wollte. Angesichts dieses Angebots, das man nicht ablehnen konnte, erlaubten die französischen Kultusbehörden Herzog und seiner rudimentären Crew gemeinsam mit dem Chauvet-Team die Höhle im Frühjahr 2010 zu betreten, die Interieurs zu filmen und ihre Kunstwerke in einem Realfilm festzuhalten. Herzog und seine Crew stellten sich den Herausforderungen, die mit dem Dreh unter so widrigen Bedingungen verbunden waren. In Anbetracht der Tatsache, dass sie die Kunstwerke in ihrer konturenreichen Pracht einfangen wollten, wählten sie als Medium 3D.

Sie konnten aber nur von dem schmalen metallischen Laufsteg aus filmen, der sich durch die Höhle erstreckt. Herzog und sein langjähriger Mitstreiter, Kameramann Peter Zeitlinger mussten letztlich die verfügbaren 3D-Kameras radikal umbauen, wofür sie sich Spezialausrüstung aus den USA und anderen Teilen Europas kommen ließen. Nachdem sie weitere Rückschläge und Komplikationen einschließlich eines Vulkanausbruchs gemeistert hatten, stand Herzog und sein Team im März und April 2010 mehrere Wochen intensiver Dreharbeiten durch.

DIE HÖHLE DER VERGESSENEN TRÄUME fängt nicht nur den größten Sprung in der Geschichte der Kunst ein, der Film zeigt diese Kunst auch in exakt dem Umfeld, in dem sie erfahren werden sollte. In einem einzigartigen Science-Fiction-Nachtrag beschwört Herzog auch Bilder einer fantastisch- bizarren Zukunft.

Die sixtinische Kapelle der Steinzeit“

Bis Anfang der 1990er galt die Höhle von Lascaux als Monument der ältesten Malereien der Menschheit. Am 18. Dezember 1994 sollte sich das ändern: Drei Hobby-Forscher, darunter Jean- Marie Chauvet entdeckten im Flusstal der Ardèche, Südfrankreich, eine gut 8.000 Quadratmeter große Höhle mit vier weiten Sälen – und über 400 Wandbildern, deren Alter per Radiokarbonmethode auf 35.000 bis 32.000 Jahre datiert wurde. Und nicht nur das Alter war bemerkenswert, sondern auch die künstlerische Qualität:

Ihre Schöpfer, die Holzkohle und Ocker einsetzten, porträtierten auf zum Teil riesigen Bildwänden von bis zu 12 Meter Breite ein ganzes Panoptikum von eiszeitlichen Tierarten – von Wollnashörnern und Mammuts bis Höhlenlöwen, Panthern, Uhus und Hyänen. Trotz der Größendimensionen ist der Bildaufbau klar strukturiert. Für eine noch effektvollere Darstellung bezogen die Künstler auch das Relief der Felswand mit ein. Immer wieder wurden die Körperumrisse der Tiere verdoppelt, um offensichtlich Bewegung zu simulieren.

Hinzu kommen auch stilisierte Darstellungen, unter anderem von Mischwesen aus Mensch und Tier und Sexualsymbole. Die Harmonie und Meisterschaft dieser Malereien trug der Chauvet-Höhle das Etikett „Sixtinische Kapelle der Steinzeit“ ein.

Ihren guten Erhaltungszustand verdanken die Bilder einem Felssturz vor rund 22.000 Jahren, der die Höhle für die Außenwelt verschloss. Dadurch wurden auch noch andere Zeugnisse der Vergangenheit konserviert – darunter eine Vielzahl von Fußspuren. So lässt sich beispielsweise über eine Distanz von über 70 Metern der Weg eines 12-13Jährigen verfolgen, der mit seiner Brandfackeln an die Höhlenwand schlug – mit einem Alter von 26.000 Jahren die älteste derzeit datierbare Fußspur eines Menschen. Hinzu kommen zahlreiche Knochenreste und Schädel, großteils von Höhlenbären.

Zur Bedeutung dieser Malereien gibt es zahlreiche Interpretationsversuche. Dabei ist die Tatsache interessant, dass hier keines der gängigen Jagdbeutetiere abgebildet wurde – sondern vielfach Arten, die eine Bedrohung für den Menschen waren. Doch keines dieser Tiere ist in aggressiver Weise porträtiert. Vielmehr finden sich unter anderem Posen der Zuneigung dargestellt. So ließe sich ein Zusammenhang zu den Bildern mit sexueller Motivik konstruieren. Zudem findet sich auf einem großen Stein ein Bärenschädel, offenbar von Menschenhand platziert – wie auf einem Altar. Für Jean Clottes, den ehemaligen Leiter des Chauvet-Forschungsprojekts, war die Höhle ein sakraler Ort, in dem Priester den Kontakt zum Jenseits suchten. Nach seiner Ansicht stammen die Kunstwerke von Schamanen, die sich beim Malen mit halluzinogenen Substanzen in Trance-Zustände versetzten. Allerdings eine Auffassung, die in der Forschung auf Widerspruch stößt.

Fest steht indes, dass die Grotte kein gewöhnlicher Aufenthaltsort war. Die darin erhaltenen Feuerstätten blieben nach einmaliger Benutzung unberührt. Kein Mensch verbrachte darin längere Zeit. Das bedeutet, dass es bis auf die Maler kaum Besucher gab, was für eine rituelle Verwendung der Chauvet-Höhle spricht.

In punkto Besucherzahl wird sich auch in Zukunft nur wenig ändern. Nach den Erfahrungen von Lascaux, wo der Strom von Touristen zu einem Pilzbefall der Höhlenwände führte, dürfen nur autorisierte Forscher in Abständen wenige Stunden darin arbeiten. Das Höhlenklima wird mit Sensoren überwacht.

Trotzdem soll die Erfahrung der Chauvet-Höhle der Weltöffentlichkeit nicht vorenthalten werden. In zwei Kilometer Entfernung wurde bereits mit den Arbeiten zu einem Nachbau begonnen, der den Besuchern einen fast identischen Eindruck vom Inneren vermitteln soll. Die Eröffnung wurde für 2014 angekündigt. Und bis dahin gibt es eine virtuelle Tour auf der Website http://www.culture.gouv.fr/culture/arcnat/chauvet/fr/ und… Werner Herzogs DIE HÖHLE DER VERGESSENEN TRÄUME.