Die Ernte ist eingebracht, die Vorratskammern sind gefüllt – Zeit für Samhain. Es hängt zwar noch buntes Laub an den Bäumen, doch erste Nachtfröste kündigen den Winter an, die Natur begibt sich zur Ruhe. Überschüssiges Vieh wird nun geschlachtet, vor allem das Geflügel (Tradition der Martinsgänse, bzw. Thanksgiving Turkey). Das Haus wird ebenfalls auf diese Phase vorbereitet, die Bettstreu erneuert, die langen Abende am Kaminfeuer beginnen. Die rote Lebenskraft hat sich ins Dunkle zurückgezogen, wir feiern das Dunkelheitsfest.

Traditionell wird es in der Nacht zum 1. November gefeiert, am „Allerseelenabend“ (die Christen machten 2 Feste daraus – Allerheiligen am 1.11. und Allerseelen am 2.11.). Eigentlich aber beherrscht der Dunkelmond im Skorpion das Fest der Toten, die Kraft des Loslassens und der Grenzüberschreitung. Im November spüren wir oft die Dunkelheit und das trübe Wetter am stärksten obwohl die dunkelste Nacht noch weit entfernt ist. Vielen Menschen schlägt das grau in grau aufs Gemüt und bringt dunkle Gedanken. Die Sterbensrate ist ebenfalls in diesem Monat sehr hoch. Genau zu dieser Zeit feierten die Kelten das Fest des Totengedenkens mit einem großen Festmahl, an dem für die Verstorbenen mitgedeckt wurde.

Der Vorhand zur „Anderswelt“ ist offen

Es heißt, daß der Vorhang zur „Anderswelt“ offen ist und wir mit den Seelen oder Geistern in Kontakt treten können und sie mit uns. Im katholischen Brauchtum werden Lichter und Immergrün auf die Gräber gebracht und in Mexiko werden regelrechte Parties auf den Friedhöfen gefeiert (mit Zuckerwerk in Schädelform für die Kinder). Wir ehren den Platz, den die Toten im Leben hatten und noch haben. Ganz besonders werden die Verstorbenen des letzten Jahren geehrt. Im schamanistischen Weltbild sind alle Lebewesen miteinander verbunden – egal ob gerade lebendig oder tot. Wir werden an unsere Vergänglichkeit erinnert und alles scheint in der Dunkelheit zu verschwinden, manchmal auch die Hoffnung.

Martin Jakubowski / pixelio.de

Samhain war der Jahreswechsel der Kelten

So feierten die Kelten diesen Zeitpunkt auch als Jahreswechsel. Doch Wechsel bedeutet zugleich auch Neubeginn und in ihrem Glauben war die Wiedergeburt ein fester Bestandteil. Schauen wir also mal genauer hin: die Erde kompostiert die Reste allen (alten) Lebens und macht daraus einen überaus fruchtbaren Boden für neues Leben. Alles Wachstum beginnt im Dunkeln, Pflanzenkeime reifen heran wie ein Fötus im Mutterleib. Aber all das braucht seine Zeit und für uns bedeutet das Abwarten und Nichtstun. Das Leben geht nun unterirdisch weiter in Prozessen, die wir uns zumeist schwer vorstellen können. Diese Phase um Samhain ist das Vergehen vor dem neuen Werden (zur Wintersonnenwende).

Wir haben den Tod (denn um den geht es hier) größtenteils aus unserem Leben verbannt und sehen vor allem seine Notwendigkeit nicht. Manchmal muß etwas sterben, damit anderes Leben entstehen kann. Wir haben also jetzt die Chance Altes gehen zu lassen um Platz für Neues zu machen – wie eine Entrümpelungsaktion. Natürlich geht so etwas mit Trauer und Bedauern einher, doch sollten diese Gefühle uns nicht schrecken. Sie gehören dazu, wie die Vorfreude auf das Neue. Wir können hier auch Unangenehmes loslassen, alles, was uns im letzten Jahr geärgert und uns im Weg gestanden hat bei unserer Jahresaufgabe. Im Ritual können wir Resumée ziehen und das Alte verbrennen oder der Erde übergeben.

Es ist Zeit, der dunklen Schwester zu begegnen

Wir haben nun die Phase der Innenschau vor uns, den Abstieg in unsere Unterwelt. Es ist Zeit, der dunklen Schwester zu begegnen wie im Mythos Inanna der Ereshkigal (die Geschichte geht übrigens gut aus). Vielleicht ist es auch an der Zeit, unsere Vorstellung von Dunkelheit und der dunklen Göttin zu überdenken. Warum freunden wir uns nicht an mit dieser Gestalt, die einen dunklen, schützenden Mantel um uns legt für diese Prozesse und uns zu Samhain Trost spendet wenn nötig? Sie ist die weise Alte, die uns mit Rat und Tat zur Seite steht, auch wenn sie dabei manchmal unbarmherzig ist. Sie erzählt uns an den langen Abenden Geschichten von Leben und Tod. Als Hekate reicht sie Dir den Apfel, doch nicht, damit er Dir im Halse stecken bleibt wie einst Schneewittchen. Sie zeigt Dir das Geheimnis, wie schon Persephone und bereitet Dich vor auf das Kommende: „Schneide ihn quer auf und erblicke den Fünfstern im Innern,“ sagt sie. Das Pentagramm verweist Dich auf die Wachstumsphasen Geburt, Initiation, Erfüllung, Rückzug und Tod.

Der Kessel der Cerridwen

Die alte Cerridwen rührt im großen Kessel des Lebens und wir dürfen gespannt sein, was dabei für uns heraus kommt. Wir haben Zeit an Samhain, lehnen wir uns also zurück und genießen die langen Abende – bei Kerzenschein, bei einem guten Buch oder Film, bei duftenden Kräutern oder mit unserem Tagebuch. Nehmen wir uns Zeit für uns selbst, söhnen wir uns mit dem Alten aus und lassen es gehen – das Neue kommt und wir haben Zeit, uns in Ruhe darauf vorzubereiten. Vielleicht mag eine auch eine ausgelassene Halloween-Party feiern und den Geistern zeigen, daß sie dazu gehören. Spirit for the Spirits! Blessed be!

Unsere Autorin Andrea Homersen (Sherifa / Chandra) über sich: „Rituale begleiten mein Leben als natürliche Kraftquelle, als Verbindung zu den Kräften der Natur, des Kosmos, zu Mutter Erde und zu allen Wesen, die dort leben. Ich lerne von allen, die meinen Weg begleiten, sowie von Orten, die ich während meiner Reisen besuche.“

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