ÖkoSchamanismus – Wege zur Heilung von Mensch und Erde
Der alte Mann muß das Auto wohl zwei dutzend Mal angehalten haben, um auszusteigen und mit seinen Händen die kleinen Kröten einzusammeln, die über die Straße hüpften. Regen fiel, und ich sagte immer wieder: “Du kannst sie nicht alle retten. Steig ein, wir haben noch viel vor.” Doch er, die Hände voll feuchten, braunen Lebens, lächelte nur und sagte: “Auch sie haben noch viel vor.” (Joseph Bruchac, Abenaki)
‚Ökologischer Schamanismus‘ ist eigentlich eine Tautologie. Es ist ein hölzernes Holz. Denn von Natur aus ist Schamanismus ökologisch. Sein Entstehen ist kaum vorstellbar ohne das Verständnis einer tiefen Verbundenheit des Menschen mit der Natur. Denn alles ist mit allem verbunden. Weil alles Seele besitzt. Und dies ist kein Glaubenssatz: Menschen, die den schamanischen Weg gehen, machen diese Erfahrung, die sie keineswegs als “übernatürlich”, sondern als zutiefst natürlich erleben.
Der besondere Beitrag des Schamanismus zum großen Thema der ökologischen Heilung besteht darin, sein Wissen zur Verfügung zu stellen und Orientierung zu geben. Welchen Sinn hätte die Renaissance dieser uralten spirituellen Tradition, wenn sie nicht gebraucht würde? Die Menschheit findet bisher die scheinbar einzige Antwort auf die bedrohliche ökologische Situation in technisch-materieller Hinsicht. Immerhin, aber viele Menschen haben die berechtigte Befürchtung, dies sei zu kurz gedacht.

Ein Weg mit Herz
Wie kann es gelingen, die Sorge für unseren Planeten zur Herzensangelegenheit zu machen und sie vom Ballast menschenzentrierten Denkens zu befreien? Saint-Exupery sagt: “Wenn du Menschen dazu bringen willst, ein Boot zu bauen, dann wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem Meer.” Wie können wir also die Sehnsucht nach einer wirklich heilen Welt wecken, damit die Zerstörung aufhört?
Moderne Schamanen können sich dazu aufgerufen fühlen, das Bewußtsein für ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller Lebensformen zu wecken: Unser Herz muß berührt sein. Denn wir können kaum Gutes bewirken, wenn wir aus einem überwiegend intellektuellen Verständnis handeln, das bemüht ist, die Dinge nach den eigenen Vorstellungen zu richten. Der Intellekt erreicht nicht jene tiefseelischen Bereiche, in denen heilende Transformation stattfinden kann. Während zeremonielle Praxis diesen Zugang auf oft verblüffend einfache Weise erlaubt. Im Artikel “Gesundheit für Mensch und Erde – der schamanische Weg” (Achtsames Leben, Aug – Dez 2020) berichtete ich über einige beeindruckende Beispiele heilend-zeremonieller Zusammenarbeit mit den Naturkräften.
Leben im Gleichgewicht
Die Stille des Lockdowns vergangenes Jahr brachte sehr viele Menschen, gerade der wohlhabenderen Länder, zu tieferen Einsichten. Er machte deutlich, wie kritisch unser täglicher Lebensstil für die Erde ist. Was wir der Erde nehmen, verlieren wir selbst auch. Aber was wir ihr geben, erhalten wir persönlich und als Menschheit zurück. Und dies ist, siehe oben, mehr als nur ein schöner spiritueller Kalenderspruch. Der Huichol-Schamane Matsuwa sagt: “Ich kann sehen, dass viele mit ihrem eigenen kleinen Leben so beschäftigt sind, dass sie nicht genügend Kraft haben, um ihre Liebe bis zur Sonne hoch, ins Meer hinaus oder in die Erde hinein reichen zu lassen … Sie vergessen die Naturelemente, vergessen die Quelle ihres eigenen Lebens … Diese Dinge sollte man üben … Eines Tages wird dir das Meer ein Herz geben. Das Feuer wird dir ein Herz geben. Die Sonne wird dir ein Herz geben.” (Aus: “Herz des Nordens”, Ailo Gaup)
Wenn wir der Erde zuhören, wird uns das verändern. Weil Menschen zu wenig Erdenergie aufnehmen, gibt es all das Unheil. Letztlich ist eine Entscheidung zu treffen: Es beginnt bei mir und bei dir, oder es beginnt überhaupt nicht.
Wolf Ondruschka
geb. 1951, 18 Jahre Lehrer bis 1994, mittlerweile 30 Jahre Erfahrung und Ausbildung in Meditation, Heilung, Zeremonie und Gruppenleitung, davon 4 Jahre in den USA bei indianischen Lehrern und in Findhorn. Er arbeitet als Schamanisch Praktizierender und ist Mitglied im ‚Dachverband Geistiges Heilen‘.
Lehrer auf seinem Weg waren u.a. Michael Harner (Basisseminar der Foundation for Shamanic Studies), der Chippewa-Medizinmann Sun Bear (“Das Medizinrad”), Eileen Caddy und DorothyMaclean (Findhorn) und viele Menschen aus täglichen Begegnungen. Die Elemente seiner Arbeit gehen auf die indianische Sichtweise der Welt ebenso zurück wie auf die Lebens- und Lernprinzipien des spirituellen Zentrums Findhorn. Er bietet an, was er weiß, Erfahrungen, die sein Leben verändert und geheilt haben, wobei er sein Verständnis in die traditionellen Lehren einbringt. Am liebsten vermittelt er seine Kenntnisse über das eigene Erleben. Wichtig ist ihm, den Menschen Mittel in die Hand zu geben, das Erfahrene in ihren Alltag zu integrieren.
Foto: „augenschmaus photographie“, Oldenburg
Siehe auch www.medizinradgeber.de und Geh den Weg des Schamanen: Das Medizinrad in der Praxis von Wolf Ondruschka, erschienen bei ‚Neue Erde‘.
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