Am 2. Februar wird das keltische Jahreskreisfest Imbolc bzw. Brigid gefeiert.
Das typische Märchen rund um das Imbolc-Fest ist „Schneeweißchen und Rosenrot“:
Da leben eine weiße und eine rote Tochter bei einer alten Mutter. Diese hat auch einen Garten, in dem als Symbol für die beiden Mädchen zwei Rosenbäumchen stehen, davon trägt das eine weiße, das andere rote Rosen.
Diese drei weiblichen Figuren des Märchens geben ein klares Bild von mythologischen Figuren, die auch als Gottheit interpretiert werden kann – eine Gottheit, die eindeutig weiblich und dreifaltig ist.
Schon der symbolträchtige Name der beiden Mädchen weist auf deren Aspekte innerhalb dieser Göttinnen-Triade hin. Die schwarze Kraft der Göttin ist durch die Mutter repräsentiert, die im Märchen viel älter dargestellt wird, als man sich die Mutter von so jungen Mädchen vorstellt, eher wie eine Großmutter.
Dreifache Kraft der Göttin und die Jahreszeiten
Die drei weiblichen Gestalten in diesem Märchen stellen auch die Jahreszeiten dar: Schneeweißchen wird als stiller und sanfter als ihre Schwester beschrieben, ist also die ganz junge weiße Frühlingskraft – jene Energie, wie wir sie ab Februar rund um Imbolc finden – zart und weiß, also noch mit Schnee bedeckt, den Frühling erst erahnend.
Im Märchen heißt es, sie hält sich auch viel näher bei der Mutter auf, die den Winter repräsentiert.
Rosenrot stellt man sich nach der Erzählung im Märchen viel kräftiger vor. Von ihr wird gesagt, dass sie gerne in den Wiesen und Feldern umherspringt, Blumen sucht und Sommervögel fängt. Sie ist also eindeutig die Sommerkraft.
Das Haus der Mutter ist auch als Erdhöhle zu interpretieren.
Das erkennt man daran, dass die Alte dem Bären Zuflucht gewährt, der vor der Tür steht und sagt: „… ich bin halb erfroren und will mich nur ein wenig bei euch wärmen“.
Der Bär kommt in die Höhle, in der er überwintert. Er bleibt den ganzen Winter über. Als der Boden nicht mehr gefroren ist, muss er sofort hinaus, da ihm bei der aufgetauten Erde die bösen Zwerge seine Schätze stehlen könnten.
Schneeweißchen ist es, die ihm die Türe aufriegelt und als sich „der Bär hinaus drängte, blieb er an dem Türhaken hängen, und ein Stück seiner Haut riss auf, und da war es Schneeweißchen, als hätte es Gold durch schimmern gesehen.“
Dieses Gold, das da schon durchschimmert, kann natürlich als das neue Sonnenlicht interpretiert werden, das nun wieder hervorkommt. Schneeweißchen oder auch die Göttin Brigid öffnet ihm die Türe …
Schneeweißchen ist es schließlich auch, die den Prinzen heiratet, der zuvor der verzauberte Bär war. Oder war es doch Rosenrot?
Sie heiratet im Märchen seinen „Bruder“ – nämlich den Bären in seiner Sommerkraft, als er das schwarze Bärenfell abgestreift hat und ganz und gar als goldene Prinz (= die volle Sommersonne) dasteht.
Übergang vom Matriarchat in das Patriarchat
Ein Aspekt dieses Märchens ist, dass es (wie viele andere Märchen auch) deutlich am Übergang von einer matriarchalen in eine patriarchale Gesellschaft angesiedelt ist.
Es geht während des gesamten Märchens darum, dass der „Zwerg“ unschädlich gemacht werden muss. Dieser steht stellvertretend für das „Kleine Volk“, die Urbevölkerung, die sich den Regeln und Gesetzen der patriarchalen Gesellschaft nicht unterordnen wollte. Das kommt dadurch deutlich zum Ausdruck, dass die Mädchen den Zwerg auf einer Heide treffen. Und nicht von ungefähr erhielten die „Heiden“ ihren Namen. Es sind jene Menschen, die nicht in den Dörfern und Städten lebten, sondern draußen in der freien Natur, auf der „Heide“ und ihre alte Naturreligion hatten. Im Gegensatz zur Bevölkerung der Dörfer und Städte die bereits eine andere Gesellschaftsordnung hatten sowie den christlichen Glauben.
Zu Beginn des Märchens wollen die Mädchen (als Vertreterinnen der matriarchalen Ordnung) dem Zwerg noch helfen. Dieser ist bereits sehr verzweifelt und damit auch zornig, weil er seinen Lebensraum schon schwinden sieht.
Der Bär als Repräsentant der patriarchalen Ordnung ist bereits in großer Konkurrenz mit den Zwergen, also dem „alten Volk“.
Es geht um die Schätze, vor allem unterirdische Schätze.
Was kann damit gemeint sein?
Zum einen um Mineralien, die in der Erde eingeschlossen sind und bei denen großes Interesse besteht, diese abzubauen.
In vielen Gebieten dieser Erde geht es immer wieder darum, dass sich die indigene Bevölkerung dagegen wehrt, dass Bergbau betrieben wird und diese unterirdische Schätze aus oft als heilig angesehenen Orten gehoben werden.
Zum anderen geht es natürlich um die Pflanzen, die in und aus der Erde wachsen und als Nahrung dienen. Ein Kampf, wem dieses Land gehört und wer dessen Früchte nutzen darf.
Hier gewinnt im Märchen (wie auch in der Menschheitsgeschichte) der Bär und damit das Patriarchat. Wir lesen im Märchen: Der Bär gab dem boshaften Geschöpf einen einzigen Schlag mit der Tatze, und es regte sich nicht mehr.
Auszug aus dem matriarchalen Mutterhaus
Die beiden Schwestern leben mit der Mutter gemeinsam in einem Haus. Dass es sich da um das Mutterhaus eines matriarchalen Clans handelt kommt ganz am Beginn des Märchens deutlich zum Ausdruck. Die Mädchen sagen: „Wir wollen uns nicht verlassen. Solange wir leben, nicht.“ Das ist ein deutliches Kennzeichen für matriarchale Gesellschaften, in der die Frauen eines Clans ihr Leben lang zusammen bleiben.
Die Schwestern halten dies zwar durch, sie müssen sich nicht trennen, weil sie zwei Brüder heiraten.
Doch sie verlassen das Mutterhaus und übersiedeln in den Palast der Königssöhne.
Also in die patriarchale Ordnung, in der die Frau zum Mann zieht.
Dank der großen Schätze, die der Zwerg in seiner Höhle hatte und die sich nun die patriarchalen Männer angeeignet hatten, können sie ein reiches Leben führen.
Selbst der matriarchalen Mutter bleibt nichts anderes über, als das Mutterhaus zu verlassen und mit den Töchtern mit zu ziehen – ein Zeichen dafür, dass die patriarchale Gesellschaftsordnung endgültig die Oberhand gewonnen hat.
Tiere kommen zu Imbolc aus ihren Höhlen – der Frühling beginnt
Dieses Märchen kann also in vielschichtiger Art und Weise gelesen und interpretiert werden.
Zurück zur Zeitqualität Anfang Februar: Wer den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ kennt, weiß, dass es darum geht, dass jetzt die Tiere beginnen, ihre Höhlen zu verlassen, und dass dies als deutliches Zeichen dafür gewertet werden kann, dass die kalte Jahreszeit vorbei ist und der Frühling naht.
Der Bär im Märchen reißt sich ein Stück Fell auf und das Gold der Sonnescheint heraus.
Es gibt übrigens zu Imbolc immer noch einem alten pyrenäischen Volksbrauch, das „Festa de l’Os“ (Bärenfest) das jährlich in Arles-sur-Tech, St-Laurent-de-Cerdans und Prats-de-Mollo gefeiert wird. Da kommt symbolisch der Bär aus seiner Höhle.
Er feiert die Heilige Hochzeit mit einer „Rosetta“. Wann? Natürlich am 2. Februar.
Danke an https://artedeablog.wordpress.com für den Text und die zauberhaften Bilder!
Danke für das Titelfoto: Von malcolm – originally posted to Flickr as Imbolc battle 0001, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5857900
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