„Wie der Herr, so das Gescherr“ oder die Theorie der Spiegelungen: „Der Hund spiegelt das Verhalten seines Menschen“.

Diese und ähnliche Sprüche hört man immer wieder. Und manchmal sind die Parallelen zwischen Menschen und ihren Hunden wirklich erstaunlich. Für Tierschutzhunde, die bereits erzogen oder unerzogen, teilweise traumatisiert oder krank nach neuen Besitzern suchen, sind diese Volksweisheiten allerdings eine Katastrophe. Denn ganz so einfach ist es mit den Spiegelungen dann doch nicht. Jeder, der bereits mehreren Tierschutzhunden ein Zuhause geben durfte, weiß, dass sie alle einen ganz eigenen Charakter besitzen. Keiner entwickelt sich wie der andere – trotz des gleichen Umgangs.

Hunde lieben ihre Menschen bedingungslos. Einige von ihnen würden ohne zu zögern auch für sie sterben und durchs Feuer gehen. Das emotionale Band der Liebe zwischen uns und unseren treuesten Freunden ist sehr stark. Hunde haben einen sehr großen Emotionalkörper und außerdem hochsensible Sinne. Daher bleibt ihnen nichts verborgen, was uns auf der Seele lastet. Stress, Sorgen und ständiger Zeitdruck gehen auch an ihnen nicht spurlos vorüber. Hinzu kommt, dass Hunde in der Lage sind, unsere Gefühle und Reaktionen wahrzunehmen, z.B. bei Begegnungen im Wald mit anderen Hunden.

Das andere Ende der Leine merkt ganz genau, ob seine Begleitung Stresshormone ausschüttet oder ob die Muskeln zucken, weil die Leine plötzlich fester umklammert wird. Wächst ein Welpe inmitten dieses Umfeldes der Unsicherheit auf, kann es passieren, dass auch er bei Hundebegegnungen Stress oder Ängste entwickelt. Ähnlich ist es bei Tierschutzhunden, die aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit bereits unsicher sind und eigentlich eine starke Führung bräuchten.

Die Vielfalt der Charaktere

Die Vielfalt an wundervollen Charakteren ist auch in der Hundewelt unbeschreiblich. Und so gibt es natürlich auch unzählige sehr souveräne Vierbeiner aus dem Tierschutz, die selbstsicher agieren und reagieren und denen die Vorsicht ihrer Menschen schlichtweg egal ist. Manche gehen neugierig auf Hunde und Menschen zu, andere sind etwas sonderbar und bellen freudig bei jeder Begegnung. Manche Marotten kann man durch einen Verhaltenstherapeuten für Hunde sicherlich deuten lernen und durch ein Training vielleicht beheben. Andere Eigenschaften werden jedoch bleiben und müssen von den neuen Besitzern akzeptiert werden.

Leider hat sich in den Köpfen vieler Menschen die Theorie der Spiegelungen eingebrannt und sie haben Angst, einem vielleicht etwas komplizierteren Hund aus dem Tierschutz ein neues Zuhause zu geben. Ein nicht 100%ig funktionierender Hund kann auch einem durchschnittlich selbstbewussten Menschen schnell peinlich werden. „Schau dir mal den Depp an, der hat seinen Hund nicht im Griff!“ Genau, wenn wir selbst schon nicht perfekt sind, dann doch zumindest unser Hund. Vielleicht haben wir selbst auch schon ähnliche Gedanken gehabt und dürfen diese an dieser Stelle einmal reflektieren.

Denn es sind genau diese voreiligen Schlüsse und Verurteilungen, die Menschen davon abhalten können, alte und kranke Tiere zu adoptieren. Wer möchte schon als Depp gelten? Oder als Tierquäler, weil er mit einem Hund spazieren geht, der durchgetretene Pfoten hat, zu dick oder zu dünn ist? Aufgrund von Vereinsamung vielleicht sogar unverträglich mit Artgenossen?

Das Abenteuer “Tierschutzhund”

Wenn Sie sich auf das Abenteuer „Tierschutzhund“ einlassen – und das hoffe ich sehr, denn die Tierheime platzen gerade wieder aus allen Nähten, weil die in den Jahren 2020/2021 übereilt angeschafften Welpen, die nun in die Pubertät kommen und konsequente Erziehung benötigen, unbequem werden – dann öffnen Sie Ihr Herz und vertrauen Sie darauf, dass genau derjenige Hund in Ihr Leben tritt, den Sie für Ihre Entwicklung brauchen. Ich möchte niemanden dazu animieren, sich für einen schwierigen oder kranken Hund zu entscheiden, denn das will sehr gut überlegt sein.

Doch ich möchte Sie dazu motivieren, sich von möglichen Ängsten zu lösen. „Was sollen die anderen denken?“ Das ist doch völlig egal! Wachsen Sie über sich hinaus und freuen Sie sich auf die vielleicht schönste Zeit in Ihrem Leben – mit einem wunderbaren Seelenhund an Ihrer Seite.

Unsere Kolumnistin Susanne Orru-Benterbusch ist ausgebildete Tierheilpraktikerin und war 11 Jahre lang mit eigener Praxis in Marl tätig. Seit Ende der 1990er-Jahre beschäftigt sie sich intensiv mit alternativer Medizin. Besonders liegt ihr am Herzen, den Tierbesitzern naturheilkundliches Fachwissen zu vermitteln, damit diese eigenverantwortlich die Gesundheit der Tiere erhalten können. Sie bietet dazu Seminare speziell für Hunde- und Katzenbesitzer an.

www.susanne-orru-benterbusch.jimdo.com