Ich hatte am Anfang ein Bild von meiner Trauer.
Insbesondere zu Beginn unserer „Beziehung“ hatte ich das Gefühl, die Trauer ist wie eine dicke, schwarze, undurchsichtige Decke. Sie lag schwer und drückend auf mir. Ich hatte das Gefühl alle anderen Gefühle, insbesondere meine Lebensfreude, wurden davon „zugedeckt“. Auch hatte ich manchmal Sorge, sie würde mich „erdrücken“.
Schon nach relativ kurzer Zeit merkte ich jedoch, dass so eine Decke mich auch warm halten kann, meine Liebe zum Verstorbenen warm halten kann. Sie kann mich schützen und abschirmen. Abschirmen von all dem Lärm um mich herum, vor zu vielen anderen Gefühlen. Ich kann meine Traurigkeit geschützt fühlen. In eine Decke kann ich mich einkuscheln, einhüllen – mir damit ein Nest bauen und somit für einen behüteten Platz schaffen.
Das Bild bzw. meine Deutung davon änderte sich. Ich merkte, dass die Trauerdecke winzige kleine Löcher bekam, wie kleine „Einstiche“, durch die das Licht hereinfällt. Immer dann, wenn ich mit der Trauer „trotzdem“ lachen konnte (und es gab echt teilweise sogar Lachflashs) oder wenn ich Momente meiner Lebensfreude spürte. Es kamen immer weiter Löcher hinzu, dann wenn ich Umarmungen von liebenden Menschen bekam, liebe Wort hörte, kleine Gesten der Mitmenschlichkeit wahrnahm, die kleinen „früher selbstverständlichen“ Wunder in meinem Umfeld sah, wenn ich „Zeichen von meinem verstorbenen Mann“ erhielt, usw.
Meine Trauer wurde zur eine durchlässigen „Spitzendecke“, es fiel Licht durch sie herein. Sie wurde leichter und transparenter.
Ich bemerkte immer mehr, dass tatsächlich nur die Interpretation meines Bildes bzw. meines Gefühls „Trauer“ mich gut oder schlecht fühlen ließ. Immer wieder spürte ich, wenn ich das eigentlich Gefühl „einfach nur sein lassen kann“ ohne mein Drama dazu zu spinnen, dann – ja dann, fühle ich einfach nur. Und es wurde jedes Gefühl einfach nur „zu einem Gefühl“ und nicht zu einem guten oder schlechten Gefühl.
Glücklicherweise hatte ich Zugriff auf mein „innerstes Wissen“. In dem Moment, in dem ich erkannte, dass, wenn ich die Gefühle nicht kategorisiere, das Erleben ein reines Spüren ist.
Heute weiß ich, dass dieser Umgang mit der Trauer, gelebte Achtsamkeit ist.
Unsere Kolumnistin Claudia Kaufmann ist 54 Jahre alt, verwitwet und Mutter einer Tochter. Das Thema Tod und Trauer begleitet sie schon, seit sie sieben Jahre alt ist. Sie ist Achtsamkeits- und Resilienz-Coach.
Weitere Informationen zu Claudia Kaufmann: www.relumine.de