Ein Film von Antonin Svoboda
Kinostart: 5. September 2013
Wilhelm Reich (Klaus Maria Brandauer) muss 1939 vor den Nazis, die seine Schriften verbrennen, in die USA fliehen. Hier, im „Land der Freiheit“, hofft der österreichische Psychiater und Grenzforscher seine Forschungsarbeiten fortsetzen zu können.
Intensiv beschäftigt sich der Psychoanalytiker mit der von ihm entwickelten Orgon-Therapie und konstruiert neben dem „Orgon-Akkumulator“ auch den „Cloudbuster“, eine Maschine, die Regen produzieren soll. Besonders fasziniert Wilhelm Reich die Suche nach der ursprünglichen Energie des Lebens, die er mit aller Kraft vorantreibt. Tochter Eva (Julia Jentsch), die nach Jahren wieder zu ihrem Vater gefunden hat und seine jetzige Frau Ilse (Jeannette Hain) unterstützen ihn dabei. Aber schon lange steht Reich im Blickfeld der unerbittlichen Kommunistenjäger McCarthys und der US-Gesundheitsbehörde. Als ehemaliger Kommunist und wegen seiner unorthodoxen Therapiemethoden wird er beschattet und abgehört. Ein Mensch wie Reich, der das Individuelle im Menschen entfesseln will, passt nicht in ihr rigides System. Die Ermittler schrecken auch nicht davor zurück, Reichs Mitarbeiterin Aurora (Birgit Minichmayr) unter massiven Druck zu setzen. Auch unter den Psychiatern hat Reich viele Gegner, die seine Ideen ablehnen. Die Hetzjagd beginnt, der Wissenschaftler soll zu Fall gebracht werden. Er widersetzt sich wiederholt gerichtlichen Anordnungen und wird zu einer Haftstrafe verurteilt. Kurz vor seiner Entlassung stirbt Wilhelm Reich 1957 unter mysteriösen Umständen im Gefängnis…
War es Wahnsinn, an die Freiheit des Menschen zu glauben, oder war Wilhelm Reich nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Zehn Jahre nach seinem Tod in einem US-amerikanischen Gefängnis werden Reichs Schriften zu einem Wegbereiter der 68er- Generation. Seine visionären Ideen wirken bis heute nach: In einer hochtechnisierten Gesellschaft stoßen Reichs alternative Heilmethoden, die sich wissenschaftlichen Erklärungen entziehen, auf große Zustimmung, aber auch harsche Ablehnung.
Der österreichische Regisseur Antonin Svoboda zeichnet auf verschiedenen Zeitebenen das vielschichtige Leben eines Menschen nach, dessen außergewöhnliche Ideen immer wieder mit den Normen der Gesellschaft kollidierten.
Klaus Maria Brandauer in der Titelrolle verkörpert einfühlsam und engagiert den vielschichtigen Mann und Wissenschaftler Wilhelm Reich, der an sich und seine Ideen glaubte und sich nicht von seinem Weg abbringen ließ.
Interview mit KLAUS MARIA BRANDAUER
Was finden Sie an der Person Wilhelm Reich interessant?
Klaus Maria Brandauer: Wilhelm Reich war ein Grenzgänger, ein Tausendsassa, ein Querulant, eine faszinierende, widersprüchliche und auch sehr umstrittene Person. Da ist es nicht leicht, einen Weg zu finden, der zu einer kompletten Persönlichkeit führt. Der wichtigste Punkt war für mich, Reich als jemanden zu zeigen, der der Menschheit wirklich und um jeden Preis helfen will, weiterzukommen! Er meinte das alles sehr ernst, auch seinen Kampf gegen die Atomenergie zum Beispiel. Aber nur seine Biografie zu illustrieren wäre langweilig, man muss ihn als Menschen im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Privatheit verstehen. Das ist dann eine sehr reizvolle Aufgabe für einen Schauspieler.
Sie haben die Atomkraft angesprochen, auch seine Ansicht, wie sich das Individuum in der Masse verhält und wie daraus Konflikte entstehen können.
KMB: Richtig originell ist ja fast gar nichts mehr, weil so gut wie alles schon mal verhandelt worden ist – vor fünf, zehn, zwanzig, fünfzig, hundert oder zweitausend Jahren und damals vielleicht tiefgründiger und sorgfältiger als heute. In unserem Chaos aus Informationen, Bildern und Texten ist es sehr schwer geworden, den Durchblick zu behalten. Alle sind informiert und trotzdem weiß keiner, was wirklich Sache ist. Und hier kommt wieder der Reich ins Spiel, sein Ansatz, das alles mit allem verbunden ist, den belächelt jetzt niemand mehr, im Gegenteil! Man darf – ganz in seinem Sinne – den gegenwärtigen Zustand nicht beklagen, sondern muss schauen, wohin der Weg führt.
Wie konnte Wilhelm Reich in einer solchen Welt als Individuum seinen Weg finden?
KMB: Reich hatte es wirklich nicht leicht, die Zeitläufe waren gegen ihn. Zuerst haben sie in Europa seine Bücher verbrannt und ihn fast ums Leben gebracht, dann geht er nach Amerika und dort findet er nicht die Freiheit, sondern er wird ins Gefängnis geworfen und sieht sich enormen Anfeindungen ausgesetzt. Sogar Freud und Einstein sind gegen ihn und doch behauptet er sich immer wieder, bis es eben für ihn vorbei ist. Er war einer, der stört. Aber es braucht unbedingt solche Menschen, die immer wieder Sand ins Getriebe werfen. Auch die Demokratie, die wir heute haben, den Wohlstand, die Freiheit, das braucht immer wieder die Irritation, das Hinterfragen, den Widerstand. Demokratie ist kein Zustand, sie muss vielmehr immer wieder neu erkämpft und vertreten werden.
Wenn man sich jetzt das Leben vom Wilhelm Reich anschaut, dann könnte man, wenn man es sehr pessimistisch betrachtet, sagen: Eigentlich hat er auf voller Linie verloren, weil er seinen Ideen gefolgt ist und seine Überzeugungen bis zum bitteren Ende vertreten hat. Ist so eine pessimistische Weltsicht auch heute angesagt?
KMB: Nur weil eine Idee vor ihrer Zeit aufkommt, ist sie ja nicht falsch, sie setzt sich vielleicht im Moment noch nicht durch, aber ihre Zeit wird kommen. Wilhelm Reich war gegen vorgefasste Meinungen und Strömungen. Er hat seinen Traum gelebt und mit seinen Ideen etwas in uns gepflanzt. Ich muss ja nicht sein wie er, aber es ist wichtig, dass es solche Menschen wie ihn gibt. Stellen Sie sich mal vor, wir hätten lauter Hamlets, lauter Zögerer, dann würde die Welt sich überhaupt nicht mehr weiter entwickeln. Wir müssen eben sehr aufmerksam sein, dass wir die „Wilhelm Reichs von heute“ nicht übersehen. Es kommt auf jeden einzelnen an, Qualität kommt immer vor Quantität, das gilt auch für Ideen!
Träume auf die Bühne oder vor die Kamera zu bringen – ist es das, was sie so reizt an der Tätigkeit des Schauspiels?
KMB: Ich kann mit dem Begriff Schauspielerei erst einmal nicht viel anfangen, denn das klingt ja nach einer Tätigkeit, wo man nur so tut als ob und so ist es ja nicht. Mich interessieren Gedanken und die Gemeinschaft, ich könnte auch sagen Kommunikation. Ich möchte etwas machen, das möglichst viele Leute interessiert. Im besten Fall verbessert es meine Lebensqualität und auch die der Menschen, die mit dabei sind. Bei aller Träumerei: Der Moment ist wahr, der Moment ist entscheidend.
Glauben Sie, dass so ein Fitzelchen von einem Moment auch irgendetwas verändern kann?
KMB: Ob der Moment wirklich etwas verändern kann, weiß ich nicht. Aber ich denke, es geht darum, die Kraft zu haben, den Moment durchzusetzen, selbst wenn man sich, wie in meinem Beruf, an Menschen richtet, die man nicht kennenlernt. Das gilt für jede Tätigkeit, egal welchen Beruf – obwohl ich selbst oft Zweifel habe, ob das, was ich mache, wirklich ein Beruf ist.
(Das Interview ist entnommen dem Presseheft DER FALL WILHELM REICH)